Die Grundsteinlegung unserer Gedenkstätte

Ein großer Tag für alle Gottscheer


Freudig schlugen die Gottscheerherzen, als die Kunde von der Grundsteinlegung unserer Gottscheer Gedenkstätte am 31. Juli 1966 in Graz-Mariatrost überallhin gedrungen war. Damit war auch der Baubeginn eingeleitet worden.

Das Kreithfeuer lodert auf


Schon am Vorabend des großen Tages hatte sich eine große Zahl von Teilnehmern beim Holzstoß neben dem
Baugrund eingefunden. Die Nacht hatte ihre dunklen Schleier auf die Erde gesenkt. Das Kreithfeuer leuchtete
hell auf. Schuldirektor Fritz Högler sprach über den Sinn der Warnfeuer auf unseren Bergen, als er von der Türkenzeit, der Pest und den vielen Leiden unserer Ahnen sprach, die trotz allen Ungemachs weiter rodeten, um die
Heimat für sich und uns zu schaffen. Da wurde allen weihevoll ums Herz.


Grundsteinlegung - Hw. Pfarrer Josef Seitz


Dann las er einige Stellen aus dem Prolog unseres verstorbenen Heimatdichters Karl Rom, der mit der Kraft dichterischen Könnens das Leid und die Not unserer Ahnen zur Türkenzeit ergreifend geschildert hat...

Lieder in Gottscheer Mundart erklangen, vorgetragen von unserer Kapfenberger Sängergruppe unter der Leitung von Frau Ella Rössel.


Und als Fritz Högler mit den vom Feuer aufstiebenden hellen Funken Grüße an alle Gottscheer in der Steiermark, in Kärnten und allen anderen Bundesländern im schönen Österreich, ferner an die Gottscheer in der Deutschen Bundesrepublik, in Amerika und Kanada oder wo immer sie sein mögen, sandte, floß manche stille Träne.


Filmschau im Gasthof Pfeifer

Hernach ein nettes Beisammensein im Gasthof Pfeifer. Der große Saal füllte sich, man grüßte, begrüßte und freute sich des Wiedersehens. An den Wänden Bilder der Heimat, in Saalesmitte das Stadtwappen von Gottschee, die Tische mit Blumen geschmückt. Erwartungsvoll waren die Blicke auf die Leinwand gerichtet, als Schuldirektor Heinrich Schemitsch Filmvorführungen ankündigte. Zuerst sah man einen herrlichen Farbfilm unserer zweiten Heimat Österreich, vom Flugzeug aus aufgenommen. Als zweiten Film "Gottschee, die deutsche Sprachinsel in Krain". Wehmutsvoll sahen wir Bilder aus vergangenen Tagen, aber auch vom Treffen 1965 in Mariatrost. Die Heimat unser Gottscheerland! Vielleicht nicht so schön wie manch anderes Land, aber für uns das schönste Stückchen Erde auf dieser Welt. In unseren Herzen wird es fortleben, wie es war. Wie denken an unser liebes Städtle und die 176 Dörfer und Weiler des Ländchens. Vom Rinsequell zum Kulpastrand warst du unsere liebe Heimat und so bleibst du in unseren Herzen bestehen.

Nach den Filmvorführungen fanden sich Gruppen zusammen beim Glase Wein und das große Haus hatte Platz für alle. Als man auseinanderging, war eine schöne Nacht und Sterne leuchteten am Himmel.



Im frommen Gebet

Am nächsten Morgen, am Sonntag, aber klopften die Regentropfen an die Fenster, der Himmel war schwer bewölkt. Um 8.45 Uhr begann unser gemeinsamer Gottesdienst in der wunderbaren Wallfahrtskirche in Mariatrost. Die Bänke dicht gefüllt mit Landsleuten, die Gottesmutter im Strahlenglanz des Altars. Und zu ihren Füßen ihre Kinder mit Dank und vielen Anliegen im Herzen. Die Schubert-Messe erklingt, Gottscheer Lieder ertönen. "Gottscheabarä sheibr, o Muätr Maria", von unserer Sängergruppe dargeboten. Am Altar zelebriert unser Pfarrer Josef Seitz mit Dr. Konrad Schemitsch als Vorbeter den Festgottesdienst. In unserer Mundart spricht er zu uns von der Allmacht des Schöpfers und der Bedeutung des heutigen Tages.

Und dann der große Augenblick: Bundesrat Otto Hofmann-Wellenhof und Pfarrer Josef Seitz schreiten zur
Baustelle. Die Kupferbüchse mit der Urkunde ist vorbereitet. Unser Hans Putre hat sein blütenweißes Maurergewand angelegt und wartet. Pfarrer Seitz spricht die Gebete und gibt den Segen der Kirche. Der Vertreter der
Landesregierung versenkt die verlötete Kupferbüchse im Gestein. Landsleute bringen Heimaterde und legen sie
darauf, worauf Hans Putre die Öffnung zumauert. Tiefe Ergriffenheit, ernste und freudige Gesichter.

Das gemeinsame Vaterunser! Du hoscht lei oin Amein - und zum Schluß die steirische Landeshymne.


Der Grundstein wird gelegt


Nach dem Gottesdienst strömen, dicht gedrängt, die Landsleute aus der Kirche. Trotz strömenden Regens setzt sich die Menge die breite Asphaltstraße dahin in Bewegung zum Baugrundstück. Da ist für die Grundsteinlegung schon alles vorbereitet und das Rednerpult aufgestellt. Nach dem von der Bläserkapelle gespielten Choral "Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre" begrüßt Obmann Alois Krauland als ersten den Vertreter des Landeshauptmannes der Steiermark, Bundesrat Otto Hofmann-Wellenhof, dann die Vertreter der Grazer Landsmannschaft, die Herren des Bauamtes, den Architekten Dipl.-Ing. E. Jäger, den Baumeister Ing. Pongratz u. v. a. Der Obmann spricht dann über unsere Gottscheer Geschichte und über den Zweck der Erbauung der Gottscheer Gedenkstätte.

Es folgen Heimatlieder, gesungen von unseren Kapfenbergern. Hierauf ergriff Bundesrat Otto Hofmann-Wellenhof das Wort. Er drückte in herzlichen Worten seine Verbundenheit mit den Gottscheern aus und pries sie als Beispiel dafür, wie es einer Volksgruppe möglich sei, ihren Unternehmungsgeist und ihre Kräfte der neuen Heimat zur Verfügung zu stellen und trotzdem der alten Heimat treu zu bleiben. Er fühle sich den Gottscheern besonders verbunden, da er auch Ehrenmitglied des Grazer Vereines sei. Zum Abschluß seiner Rede sprach er den frommen Wunsch aus, die Schutzfrau Österreichs, Magna Mater Austriae, möge einen Zipfel ihres Schutzmantels auch über die Gottscheer Gedenkstätte breiten. Darnach Gottscheer Lieder und Gedichte. Dr. Konrad Schemitsch trug sein ergreifendes Gedicht: "Der Schicksalsweg der Gottscheer" vor.


Aus der Predigt des Hw. Pfarrers Josef Seitz (Aus dem Mitteilungsblatt vom Oktober 1966)

(Evangelium vom 9. Sonntag nach Pfingsten, Lk 19, 41-47)

In einer Zeit, als sich Jesus Jerusalem näherte und die Stadt sah, weinte er über sie und sprach: "Wenn doch
auch du es erkannt hättest, und zwar an diesem deinem Tage, was dir zum Frieden dient! Nun aber ist es vor deinen Augen verborgen. Es werden Tage über dich kommen, da deine Feinde dich mit einem Walle umgeben,
dich ringsum einschließen und von allen Seiten bedrängen. Sie werden dich samt deinen Kindern in deinen
Mauern zu Boden schmettern und keinen Stein in dir auf dem ändern lassen, weil du die Zeit deiner Heimsuchung
nicht erkannt hast." Dann trieb er die Käufer und Verkäufer, die darin waren, hinaus und sprach: "Mein Haus ist
ein Haus des Gebetes. Ihr habt es zu einer Räuberhöhle gemacht". Und er lehrte jeden Tag im Tempel.

Meine Brüder und Schwestern!

Wer von uns hat bei diesen Worten nicht an die alte Heimat gedacht? In wem sind kaum vernarbte Wunden nicht wieder aufgebrochen? Das traute Heimathaus in Schutt und Trümmern - die Dorfkirche wie vom Erdboden weggefegt. Die Toten des Krieges - die Säuglinge, die Greise, die an Unterernährung und Überanstrengung in einem alten Stadel oder im Straßengraben haben sterben müssen auf der Flucht. Kann man nicht oft das Wort hören: Wenn es einen Gott gibt, wie kann er all das zulassen?




Hw. Pfarrers Josef Seitz


Und doch hat uns nur der feste Glaube echte Hilfe gebracht, daß wir das Gleichgewicht wieder gefunden haben. Kreuz und Leiden sind nicht Strafe Gottes, sondern eine Prüfung.

Heute können wir mit dem schwergeprüften Job des alten Bundes sagen: Der Herr hat es uns genommen, er hat
es uns wieder gegeben. Gott sieht die Welt anders als wir, seine Pläne sind den Menschen unerforschlich. Die meisten von uns haben irgendwo in der Welt wieder ein Stück Heimat erworben mit viel Müh und Fleiß. Heute
aber danken wir unserem Herrgott, daß wir Gottscheer wieder - freilich klein und symbolisch - eine gemeinsame Heimat gefunden haben in unserer Gottscheer Gedächtnisstätte in Mariatrost, zu der wir heute den Grundstein legen dürfen.

Wir sind hier im Heiligtum der Gottesmutter zum heiligen Opfer versammelt. Bei der Mutter, da sind wir zu Hause.
Wie die Kinder auf der Flucht im Arm der Mutter Schutz und Geborgenheit fanden, so wollen auch wir heute unserer gemeinsamen Mutter unsere Sorgen und Bitten vortragen. Dem Herrn wollen wir danken und ihn um Kraft bitten. Beim Kreithfeuer haben wir gestern gehört, wie tapfer unsere Vorfahren in der alten Heimat gekämpft und gelebt haben. Auch wir sind als Christen gerufen, ein heldenhaftes Leben zu führen. Es genügt nicht, gut und anständig zu sein, echte Opfer zu bringen, sich für das Gute einzusetzen, hochherzig wollen wir sein, und im anderen Christus, unseren Bruder sehen. Er hat gesagt: "Was Ihr dem geringsten meiner Brüder getan habet, das habt ihr mir getan". Der Herr sagt auch "Frieden hinterlasse ich euch". In seiner Liebe wollen wir von Herzen verzeihen. Das Verzeihen hilft, neu anzufangen und gibt Kraft zum Helfen. Im Glauben an Christus und in seiner Liebe sind wir verbunden. Auch wenn wir uns heute wieder körperlich weit entfernen voneinander, im Glauben, im Gebet, im heilgen Opfer sind wir verbunden über Land und Meere.


ERINNERUNG

Jetzt, da die Namen unserer Vorfahren in Marmor geborgen sind, geben sie Zeugnis von der Vergangenheit und der Heimat. Das eine ging verloren, das andere blieb. Im Herzen lebt beides.


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