Aspekte und Bilanzen der Umsiedlungsdienststellen


1. Bilanz der EWZ


Der EWZ gelang es mit Hilfe ihres eingespielten Apparates und wegen der genau abgesteckten Kompetenzen relativ leicht, der Schwierigkeiten Herr zu werden, die infolge der kurzfristigen Termine und des bereits Ende Oktober hereinbrechenden Winters in der Gottschee auftraten. So konnte trotz mehrmaligen Umdisponierens der ursprünglich vorgesehene Termin exakt eingehalten werden (1), nicht zuletzt dank der guten Zusammenarbeit mit der Volksgruppenführung. Diese bewährte sich bei dem Transport der Bevölkerung zu den Orten, an denen die EWZ jeweils residierte, und vor allem bei der Beschaffung von Unterlagen jeglicher Art für die EWZ. Gerade hierbei ließ die EWZ erkennen, daß sie die Aufgaben des RSHA im Rahmen des RKFDV-Programms wahrnahm. So fertigte die Volksgruppenführung auf deren Wunsch hin z. B. an: "Listen über Erbkranke und Inzuchtgemeinden", "Listen über politisch und sonst unzuverlässige Elemente", "Listen der Mischehen", eine "Darstellung der augenblicklichen politischen Lage der Volksgruppe (Führung, Organisation, politische Haltung, Vereins- und Schulwesen)" (2). Diese Aufgabe brachte den jungen Gottscheer Nationalsozialisten sowohl beträchtliche Einwirkungsmöglichkeiten als auch die Bestallung von zwei Gottscheern zu Volkstumssachverständigen, die nun - indirekt institutionalisiert als EWZ-Gutachter - die volkspolitische Zuverlässigkeit des einzelnen Gottscheers zu beurteilen hatten.

Angesichts der Konzessionen (3), die HITLER und HIMMLER der Volksgruppenführung machten, war die Situation für die EWZ völlig klar: Sie hatte zwar nach ihren bewährten Kriterien (rassisch, biologisch, politisch) die Gottscheer einer Prüfung zu unterziehen; diese sollte aber im wesentlichen nur den Charakter einer rassebiologischen Bestandsaufnahme haben. Die Volkstumssachverständigen bestimmten - da die EWZ sich an deren Rat gebunden fühlte -, welche Gottscheer von der Umsiedlung ausgeschlossen werden sollten.

Die EWZ stand der Volksgruppenführung wohlwollend gegenüber. Das beruhte nicht nur auf Anerkennung der für Volksdeutsche Verhältnisse guten Organisation der Volksgruppe, sondern basierte ebenso auf gemeinsamen politischen und rassischen Grundvorstellungen. Ein ausgeprägtes Elitedenken und eine daraus entspringende Radikalität in der Wertung des zu selektierenden "Menschenmaterials" schufen die
vertrauensvolle Atmosphäre bei der Zusammenarbeit. Deshalb bezog die EWZ in der internen Auseinandersetzung zwischen alter und junger Volksgruppenführung eindeutig Stellung zugunsten der jungen und übernahm deren Deutung der Situation innerhalb der Volksgruppe; verschiedene Richtungen innerhalb der Volksgruppe gebe es nicht, nur einige wenige Anhänger der alten Volksgruppenführung, die mit LAMPETER und anderen nicht einverstanden seien (4). Daher teilte die EWZ auch nicht ELLMERS Befürchtungen, die u. a. schließlich zur Intervention Dr. STIERS führten. Die EWZ ging dabei so weit, das von ELLMER für den Widerstand der Gottscheer vorgebrachte Motiv - zu scharfe und straffe Führung durch eine zu junge Volksgruppenführung - geradezu als positiv für die Umsiedlung hinzustellen. - Sie unternahm deshalb auch nichts gegen den scharfen Kurs der Volksgruppenführung, der ja erst auf der Konferenz vom 16. November 1941 nur durch den massiven Druck Dr. STIERS geändert wurde.

Einen beinahe phantastisch anmutenden Aspekt der EWZ-Arbeit enthüllen die Anweisungen aus der EWZ-Zentrale Litzmannstadt an die "Kommission Sonderzug" in Gottschee. So sollten während der "Schleusung" die Adressen von Amerika-Gottscheern gesammelt werden, um eine "gute Vorarbeit für die, wenn auch in weiter Ferne, geplante Umsiedlung des Übersee-Deutschtums" (5) zu leisten. - Und wenn man z. B. das Singen des Weihnachtsliedes "Stille Nacht" in slowenischer Sprache von deutschen Kindern dahingehend interpretierte, daß dahinter die katholische Kirche stehe, dann war das zwar richtig, man übersah dabei aber, daß in dem betreffenden Kirchsprengel gar kein deutscher Pfarrer mehr amtierte. Die Folgerung, die man in Litzmannstadt zog, "daß heut zu Tage bei der Umsiedlung einige dieser Geistlichen versuchen werden, mit umzusiedeln, um ihre staatsfeindliche Tätigkeit dann auf deutschem Reichsboden fortzusetzen" (6), entbehrte schon daher der Voraussetzung. Diese Mutmaßung zeugt darüber hinaus von einer geradezu grotesken Unkenntnis der Gottscheer Verhältnisse; denn niemals hätten die bewußt national eingestellten Volksdeutschen Pfarrer - selbst LAMPETER hatte ihnen die nationale Haltung bescheinigt - deutsche Lieder in slowenischer Sprache singen lassen (7).

Deutlich wird an diesen beiden Episoden, wie die Stabsleute der EWZ in Konsequenz ihrer Umsiedlungsideologie glaubten, weit vorausschauend planen zu müssen, und wie sie aufgrund ihrer dogmatischen Freund-Feind-Wertungen zu einseitigen vorschnell gefällten Urteilen gelangten, womit sie den Realitäten der Volksdeutschen Verhältnisse nie gerecht werden konnten.

Die überhebliche Selbsteinschätzung der EWZ dringt oft in der Berichterstattung durch, besonders wenn ihr Verhältnis zu anderen an der Umsiedlung beteiligten Dienststellen charakterisiert wird. "Das persönliche Verhältnis war ausgesprochen gut.
Schwierigkeiten sachlicher Art gab es auch nicht, zumal man das Empfinden hatte, daß ein Konflikt mit der EWZ höchst ungern gesehen worden wäre." (8)

So skizziert der EWZ-Mann das Verhältnis des Deutschen Umsiedlungsbevollmächtigten (DUB) zur EWZ. Diese mit jovialer Lässigkeit formulierte subjektive Darstellung läßt an Deutlichkeit kaum zu wünschen übrig. Hier wird die arrogante Haltung spürbar, mit der die RSHA-Angehörigen der EWZ auf andere Persönlichkeiten, vor allem wenn sie nicht unmittelbar zum engeren Befehlsbereich der SS gehörten, herabsahen (9). Der Verfasser kritisiert vor allem, daß der DUB nicht höherer SS-Führer ist. "Auf alle Fälle wäre es weit zweckmäßiger gewesen, einen höheren SS-Führer als Repräsentanten herauszustellen. Daß dieses auf italienischer Seite erheblich mehr Wirkung haben würde, war beim Auftreten der EWZ festzustellen." (10)

"Auch im Verhältnis zu den beiden Volksgruppen [Gottscheer und Laibacher sind hier gemeint] hätte die Vertretung durch einen höheren SS-Führer nur günstiger wirken können. So wäre es möglicherweise vermieden worden, daß die Volksgruppen von sich aus mit allen möglichen Dienststellen im Reich verhandelten und eine einheitliche Linie oft nicht gegeben war." (11)

Der Stil des Autors - "weit zweckmäßiger", "erheblich mehr" - enthüllt ein ausgeprägtes Prestigebewußtsein, das sich herleitet aus der Zugehörigkeit zur SS; die stillschweigende Voraussetzung der selbstgefälligen Äußerungen ist die Überzeugung, daß ein höherer SS-Führer eine größere Autorität gegenüber Italienern und Gottscheern besäße als der Zivilist Dr. WOLLERT. Diese Beurteilung mündet ein in eine Kritik an der übergeordneten Dienststelle des DUB, der RKDFV-Zentrale in Berlin:

"Das Verhältnis ... [des DUB] zum Reichskommissariat erschien nicht ungetrübt, da die Schwierigkeiten an Ort und Stelle nicht gering waren und teilweise hätten vermieden werden können, wenn man in Berlin anders disponiert hätte. Die Bereitstellung von Personal für die Dienststelle in Laibach [Sitz des DUB] erschien nicht ausreichend und rechtzeitig, so daß in dieser Hinsicht Schwierigkeiten auftraten, was die Vertreter des DUB offen zugaben."

Insgesamt werden dem Stabshauptamt massive Vorwürfe gemacht: Organisationsmängel; Unfähigkeit, Volksdeutsche straff zu führen; Unvermögen, sich in die Psyche der Italiener einzufühlen. Die Tendenz dieses Berichtes ist eindeutig: Die Leistung der Umsiedlungsdienststellen wird einer schonungslosen Kritik unterzogen - vor dem Hintergrund der eigenen EWZ-Tätigkeit, die sich von der der anderen wohltuend abhebt.

Doch knapp zwei Wochen später kommt der Leiter der EWZ, Obersturmbannführer v. MALSEN, zu einer realistischeren Darstellung.

"Da die Mitteilung über die Annahme der Option von der Durchschleusung durch die EWZ abhängig ist, ergaben sich zunächst wegen der kurzfristig gestellten Termine
bei einzelnen Stürmen gewisse Schwierigkeiten. Der DUB und insbesondere sein Gebietsbevollmächtigter . . . versuchten die Gelegenheit zu benutzen, um den Beweis zu erbringen, daß die Arbeit der EWZ im Gebiet Gottschee unzweckmäßig und aus diesem Grunde undurchführbar sei. In einer Besprechung zwischen SS-Gruppenführer GREIFELT [Chef des Stabshauptamtes] und SS-Hauptsturmführer Dr. STIER vom Reichskommissariat, dem DUB Dr. WOLLERT und SS-Obersturmbannführer VON MALSEN wurde festgelegt, daß in Einzelfällen . .. der DUB die Annahme der Option bekannt gibt, ohne das Ergebnis der Schleusung abzuwarten. Da mit einem ganz geringen Teil von Ablehnungsbescheiden zu rechnen ist, und auf der anderen Seite der Abtransport in keiner Weise durch etwa konstruiertes Verschulden der EWZ gefährdet werden durfte, hat SS-Obersturmbannführer von MALSEN diesen Vorschlag gemacht, unter gleichzeitigem Hinweis, daß allgemein das Schleusungsergebnis der EWZ entscheidend für die Annahme der Option ist." (12)

Hier wurden nun also die Proportionen wiederhergestellt. Die Sorge, "durch etwa konstruiertes Verschulden der EWZ" den Umsiedlungstermin zu gefährden, deckt deutlich die etwas verkrampft wirkende Verteidigungsposition auf, aus der heraus v. MALSEN argumentiert. Die EWZ mußte sich elastisch verhalten, um ihre Kompetenzen gegen die sachlich schwerwiegenden Einwände des DUB wahren zu können. Daß an der entscheidenden Konferenz sogar der Chef des Stabshauptamtes und der Leiter der EWZ teilnahmen, läßt die Bedeutung des DUB im rechten Lichte erscheinen.

Der EWZ-Abschlußbericht bietet einen Einblick in die offizielle Wertung der Gottscheer (13).

In Punkt 7 "Die gesundheitliche Lage der Volksgruppe" wird den Gottscheern bescheinigt, sie zählten zu den besten Umsiedlern, die bisher von der EWZ geprüft worden seien. Insgesamt sei der gesundheitliche Zustand der Volksgruppe als gut zu bezeichnen.

Bei der Beurteilung der "rassischen Zusammensetzung der Volksgruppe" kommt die EWZ zu dem Schluß, "Wenn sich somit die Gottscheer von der durchschnittlichen rassischen Zusammensetzung des deutschen Volkes durch vorwiegend dinarisch-westliche Elemente unterscheiden, ist die Volksgruppe doch als durchaus erwünschter Zuwachs im deutschen Volkskörper zu betrachten."

Die EWZ hatte damit trotz des auf den ersten Blick hin bedenklich erscheinenden rassischen Bildes eine Unbedenklichkeitserklärung für die Gottscheer abgegeben.

Ausführlich widmet sich die EWZ der Untersuchung der Bevölkerungsstruktur: Der teilweise als negativ zu interpretierende Altersaufbau - vor allem der relativ geringe Anteil der Personen zwischen 20 und 60 Jahren und der relativ hohe Prozentsatz der Personen über 65 Jahre - wird der Volksgruppe nicht als biologisches Versagen angelastet, sondern als Folge des Nationalitätenkampfes von 1919 bis 1941 und als Ausw
irkung der Querelen mit den Italienern im April und Mai 1941 - damals verließen etwa 500 junge Männer die Gottschee - gesehen. Als einzig schwerwiegender Mangel wird der Volksgruppe "die stark kaufmännische und wirtschaftlich liberale Einstellung" angekreidet, die auch durch den ehemaligen Hausierhandel bedingt sei.

Es ist festzuhalten, daß die Gottscheer im ganzen trotzdem eine außerordentlich gute "rassebiologische" und gesundheitliche Bewertung erhielten.

Zu einer noch höheren Einschätzung führte darüber hinaus die "volkspolitische Beurteilung"; denn als deren Basis war nach Ansicht der EWZ im wesentlichen die Leistung der jungen Volksgruppenführung zu betrachten. Das hohe Lob, das den jungen Gottscheer Nationalsozialisten gezollt wird, bezieht sich sowohl auf den vorbildlichen Einsatz bei der "Schleusung" als auch auf die Bemühungen um eine völlige Neuorientierung der Volksgruppe in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht. In diesem Zusammenhang wird ausdrücklich auf die nationalpolitische Qualifikation der Volksgruppenführung hingewiesen: "Sie ist von jugendlichem Idealismus und fanatischem Glauben an die deutsche Sendung getragen ... Die jungen Führer waren aus eigenem Antrieb im Reich gewesen, um dort in Schulungslagern Schulter an Schulter mit reichsdeutschen Kameraden den Geist der neuen Zeit in sich aufzunehmen."

Das Ergebnis dieser umfassenden EWZ-Prüfung - durchgeführt nach den offiziellen Kriterien der nationalsozialistischen Volkstumspolitik - berechtigte also zu den schönsten Hoffnungen.

Theoretisch war damit schon die Grundlage für das Experiment der Ansiedlung gesichert.

Die "Schleusung" in der Gottschee hatte sowohl für die EWZ als auch für die Volksgruppe beträchtliche Vorteile; denn bei den bis dahin durchgeführten Umsiedlungen von Volksdeutschen waren diese im allgemeinen zunächst ausgesiedelt und in Lager ins sogenannte "Altreich" transportiert worden. Dort hatte dann die EWZ die "Schleusung" vorgenommen, die im wesentlichen ohne Mithilfe der jeweiligen Volksgruppen vor sich gehen mußte. Die EWZ-Wertung entschied dann über die Ansiedlung der Umsiedler. Diese Methode hatte oft einen monatelangen Lageraufenthalt zur Folge gehabt (14). - Die Gottscheer dagegen erhielten ihren "Ansatzbescheid" bereits in der Heimat.

"Der Weg, den die Umsiedler von der Optionserklärung bis zur Aussiedlung zu gehen hatten, war im wesentlichen folgender:

1. Jeder Sturmführer behob die voraussichtlich für seinen Sturm benötigte Anzahl von Formblättern für die Optionserklärung beim Gemeindeamt und brachte sie zur Verteilung. Außerdem bestand die Möglichkeit, Formblätter für Optionserklärungen bei den Gemeindeämtern zu holen. Nach Ausfüllung wurden die Formblätter wieder von den Sturmführern eingesammelt, nach Herden, Hausnummern und Ortschaften geordnet und zum Gebietsbevollmächtigten gebracht, nachdem sie vom italienischen Gemeindevorsteher bestätigt worden waren. Vom Gebietsbevollmächtigten wurden die Anträge in Listen aufgenommen, von denen die EWZ eine Durchschrift erhielt. Hierbei wurden die Umsiedlungsnummern zugeteilt. Bei der Aktion Gottschee übte diese Tätigkeit anstelle der Volksdeutschen Mittelstelle der Umsiedlungsbevollmächtigte mit Angehörigen der DUT aus. Die Volksdeutsche Mittelstelle war bei der
Gottschee-Aktion überhaupt nicht eingeschaltet. Den sonst durch sie durchgeführten Umsiedlertransport hatte die Volksgruppe selbst übernommen.

2. Auf Grund dieser Listen wurden die Umsiedler von der EWZ in Arbeitsgemeinschaft mit dem Sturmführer zur Durchschleusung aufgerufen und in Stürmen bzw. Ortsbezirken geschlossen zum EWZ-Sonderzug herangebracht. Die Durchschleusung der meisten Ortsbezirke erfolgte in Gottschee, in entferntere Gebiete ging zweimal ein Sonderkommando der EWZ. Wie bei den anderen Aktionen führten die einzelnen Dienststellen der EWZ folgende Aufgaben durch:
   Meldestelle: meldepolizeiliche Erfassung
   Ausweisstelle: Fertigstellung und Ausgabe der Umsiedlerausweise
   Lichtbildstelle: Herstellung von Umsiedleraufnahmen für Ausweise und Karteikarten
   Gesundheitsstelle: eingehende ärztliche Untersuchung der Umsiedler und Anlage einer Gesundheitskartei;    außerdem röntgenologische Erfassung aller Umsiedler
   R.-S.-Stelle: Rassische Bewertung der Umsiedler
   Staatsangehörigkeitsstelle: Einbürgerung nach Überprüfung der Abstammung und des Verhältnisses gegenüber    dem Deutschtum in der Volksgruppe
   Berufseinsatzstelle: Arbeitseinsatz und Erstellung der EWZ-Karte aus der Arbeitsunterlage für den    Ansiedlungsstab. Da weder Umsiedlerausweis noch Einbürgerungsurkunde an die Umsiedler ausgegeben wurden,    erhielten sie als Bestätigung und Nachweis ihrer Durchschleusung bei den Dienststellen des D.U.B. (Transport und    Vermögensabteilung) eine von der EWZ geschaffene Umsiedlerkarte.

3. Nach der Durchschleusung erhielten die Umsiedler vom Gebietsbevollmächtigten eine Transportkarte, die Umsiedler-Nummer, Name, Vorname, Herkunftsort, Kreis, Gemeinde, Geburtsdatum, Geburtsort, Tag der Durchschleusung, Tag der Abreise, Anzahl der großen Gepäckstücke sowie Anzahl der Handgepäckstücke und deren Zeichen enthielt.

4. Nach der Rückkehr in ihre Dörfer füllten die Umsiedler die Vermögenserklärung aus, die neben der Taxation eine Grundlage für die Entschädigung im Reich bildet. Die Vollmacht über das hinterlassene Vermögen wurde durch die Umsiedler in der Regel dem Gebietsbevollmächtigten übertragen.

5. Der Deutsche Umsiedlungsbevollmächtigte versah die Optionsanträge mit dem Stempelaufdruck "angenommen" bzw. "abgelehnt" auf Grund der ihm von der EWZ übergebenen Listen, aus denen auch der gefällte Ansatzentscheid ersichtlich war.

6. Der Abruf zur Ansiedlung erfolgt durch den Ansiedlungsstab Marburg.

7. Die Ausgabe der Umsiedlerausweise und Einbürgerungsurkunden erfolgt im Gegensatz zu den früheren Aktionen erst im Ansiedlungsgebiet." (15)

Dieses Verfahren mag Fachleuten einfach und logisch erscheinen. Für die vorwiegend bäuerlichen Gottscheer war es verwirrend und undurchsichtig. Nur so ist auch zu verstehen, daß verschiedene Umsiedler sich später in einem entscheidenden Punkte betrogen wähnten.

"Es dauerte einige Stunden, bis wir in den durchgehenden Abteilungen mit der Registrierung bis an das Ende des Zuges kamen. Der Reihenfolge nach, wie wir aus dem Zuge kamen, mußten wir uns in einem Warteraum bereithalten, bis alle zusammen waren. Wir gingen dann geschlossen zum Büro der DUT und stellten uns dort auf. Der Reihe nach gaben die Umsiedler
ihre Unterschrift, ohne daß man uns vorher aufgeklärt hätte, was man unterzeichne. Es wurde bei der Unterzeichnung dafür gesorgt, daß die Unterschriften ohne Zwischenpausen hintereinander erfolgten, und sie gaben den Umsiedlern keine Möglichkeit, einen Einblick in den Vertrag zu machen. Die Umsiedler waren in der Meinung, daß sie mit ihrer Unterschrift nur die Registrierung im Sonderzug unterzeichnet hätten. Erst in späterer Zeit kam es an die Öffentlichkeit, daß mit dieser Unterschrift auch die Überlassung von Haus- und Grundbesitz an die DUT erfolgt ist. Im Unterzeichnungsbüro waren einige Beamte der DUT und zwei Beisitzende, Führer unserer Landsleute." (16)

Der mechanische Ablauf der Prozedur ist nicht überraschend; für die Umsiedlungsdienststellen lief alles unter dem Zwange von Terminen ab. Fragen oder Bedenken von Umsiedlern waren daher unerwünscht. Die Gottscheer waren Objekt des Umsiedlungsverfahrens, das um so reibungsloser vonstatten gehen konnte, je weniger man dem einzelnen die Möglichkeit gab zu überlegen, was er eigentlich mit seiner Unterschrift besiegelte.

Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen, Hans Hermann Frensing, 1970

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Anmerkungen :

1  
Abschlußbericht über die Erfassung der Deutschen in der Gottschee . . . durch die Einwandererzentralstelle des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD (im folgenden EWZ-Abschlußbericht), undatiert (etwa Mitte Dezember 1941); NAW Roll 306, frame 2433594 ff.

2
 Vermerk von NUSSBAUMER (Informationsreferent der EWZ), EWZ-Stelle Litzmannstadt vom 29. 8. 1941; NAW Roll 306, frame 2433882.

3
 "Laut Mitteilung der Volksgruppenführung soll auf besonderen Befehl des Führers vom 26. 4. 1941 die Gottscheer Volksgruppe als solche weiter bestehen bleiben. Anläßlich der Umsiedlung sollen nach Zusicherung des Reichsführers-SS die politisch unzuverlässigen Elemente und die von der Volksgruppe als untragbar bezeichneten Personen aus der Volksgruppe ausgeschieden werden." Aktenvermerk der EWZ-Kommission Sonderzug, 20. Oktober 1941; NAW Roll 306, frame 2433819.

4
 s. o. S.92.

5
 Aktenvermerk des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD EWZ-Litzmannstadt, 4. 11. 1941; NAW Roll 306, frame 2433848 f.

6
 ebda.

7
 Ein ähnliches SD-Denken offenbart die Charakterisierung der gegen LAMPETER opponierenden Städter, wobei eine harmlose Stammtischrunde als Organisation angesehen wurde. "Ihre Organisation hat die Opposition in einer Stammtischrunde mit dem Namen ,Schwarze Börse' gefunden . ..". Bericht über die Verhältnisse im Gottscheer Land von NUSSBAUMER, Informationsreferent der EWZ, undatiert (wahrscheinlich November 1941) Abschrift; NAW Roll 306, frame 2434005.

8
 Bericht (vermutlich von Dr. GRADMANN) vom 6. 11. 1941; NAW Roll 306, frame 2433945.

9
 Dabei hatte sich gerade bei der 1941 in ein entscheidendes Stadium tretenden Umsiedlung der Südtiroler bereits herausgestellt, daß die direkte Einschaltung von SS-Dienststellen und SS-Offizieren zu schweren Spannungen mit den Italienern geführt hatten. Siehe C. F. LATOUR, a.a.O. S. 56 f.: "Der Fall Luig".

10
 Bericht (vermutlich von Dr. GRADMANN) vom 6. 11. 1941, a.a.O.

11
 ebda.

12
 Bericht des Leiters der EWZ, Gottschee, vom 18. November 1941 (Abschrift); NAW Roll 306, frame 2433938.

13
 EWZ-Abschlußbericht, a.a.O.
Aus dem EWZ-Abschlußbericht sollen nur diejenigen Punkte beleuchtet werden, die für das Gesamturteil der EWZ maßgebend und daher für die offizielle volkspolitische Wertung der Gottscheer bei den Dienststellen des Reiches bindend sind; dagegen wird die detaillierte Statistik nicht kommentiert.


14
 s. dazu R. L. KOEHL, a.a.O. S. 101.

15
 EWZ-Abschlußbericht S. 7; NAW Roll 306 frame 2433604 ff.

16
 Bericht des Landwirts K. R. aus Windischdorf (Slovenskavas) in der Gottsdiee in: Dok. d. Vertreibung Bd. V a.a.O. S. 33.

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