3. Bilanz der Kulturkommission beim DUB

Der Leiter der Kulturkommission, Professor SCHWALM, stellte ein umfangreiches Programm auf, das angesichts dieser kleinen Volksgruppe auf den ersten Blick überraschen muß (19). Er motiviert das folgendermaßen:

"In kultureller Eigenständigkeit hat der Gottscheer sein Ahnenerbe lange Zeit unabhängig fortentwickelt, so daß wir in Mundart und Sprachgebrauch, im Liedgut, Volksbrauch, Haus und Hof und auch materiellem Gut noch heute Formen teils lebendig vorfinden, teils in der Erinnerung fortlebend antreffen, die wir im übrigen deutschen Volksraum nicht nur nicht mehr vorfinden, sondern auch nicht einmal mehr nachweisen können."

Es gebe zwar ältere Publikationen darüber, diese könnten aber heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht mehr genügen. Durch eine Erforschung der Gottschee in "kulturkundlicher und sprachgeographischer Hinsicht" eröffne sich die Chance, wichtige Vorarbeit für die Erforschung anderer deutscher Stammesgebiete zu leisten. - In Anlehnung an die Arbeiten in Südtirol habe man daher ein umfangreiches Arbeitsprogramm entworfen und für die Gottschee 7 Arbeitsgruppen gebildet. Später stellt der Leiter der Kulturkommission resümierend fest, der Arbeitsplan habe "sich nur zu einem Teil verwirklichen lassen" (20). Zwar seien von zuständiger deutscher Stelle alle Vorbereitungen rechtzeitig getroffen worden, doch die mehrmalige Verschiebung des Vertragsabschlusses und die Verschleppungstaktik der Italiener bei der Erteilung der Paßvisen habe es den Mitarbeitern und deren Stäben erst am 6. November 1941 ermöglicht, in Gottschee die Arbeit aufzunehmen, während der Abtransport des ersten Gottscheer Dorfes bereits am 15. November 1941 erfolgt sei.

"Damit war von vornherein eine systematische Behandlung des Umsiedlungsgebietes ausgeschlossen worden."

Auch die ursprünglich eingeplanten Hilfskräfte der Gottscheer hätten "nicht mehr zur Verfügung" gestanden. Sogar eine vorgesehene Studentengruppe habe man wegen des Mangels an Quartieren nicht einsetzen können.

Als weitere schwerwiegende Behinderungen führt Professor SCHWALM an:

Die fehlende Ruhe des für die Forschungen ausgesuchten Personenkreises; die zu gleicher Zeit laufenden Arbeiten der EWZ und der DUT, wodurch ein Teil der Bevölkerung ständig unterwegs gewesen sei; die zunehmende Gefährdung durch Partisanen (ein Teil der kleineren Siedlungen am Rande oder in den großen Waldgebieten sei schon geräumt, die kleineren Straßen durch die einsamen Waldgebiete seien ohne Gefahr nicht mehr befahrbar gewesen); der außergewöhnlich frühe Schneefall - im Oktober - habe die ohnehin schwierigen Transportverhältnisse weiter kompliziert (21).

Daher habe man von den geplanten Arbeitsvorhaben nur diejenigen realisiert, die nach "Absiedlung der Volksgruppe" nicht mehr durchführbar gewesen seien. Ganz fallen gelassen habe man den "Plan einer statistischen Aufnahme des biologischen und sozialen Gefüges der Volksgruppe".

Im Kapitel "Auswertung und zukünftige Ergänzung der in Gottschee ... durchgeführten Arbeiten" betont Prof. SCHWALM: "Für die Fortsetzung und Beendigung der Sammeltätigkeit sprechen . . . wichtige volkspolitische Tatsachen." Basierend auf den von den Arbeitsgruppen gewonnenen Erkenntnissen schlägt er deshalb vor:

1. Eine umfassende Auswertung der Kirchenbücher als "Voraussetzung für eine zielvolle und planende Erziehungsarbeit in Hinsicht auf die rassische und biologische Erneuerung des durch jahrelange Isolierung abgekapselten alten Gottscheer Volkskörpers" ;

2. Es sei ein neuer Haustyp in Anlehnung an die gewohnte Raumgliederung zu entwickeln, der für die Planung im Ansiedlungsgebiet maßgebend zu sein habe, um auch dadurch die "Wiederverwurzelung" zu erleichtern;

3. Wörterbücher, Handbücher und Sammlungen, im musikalischen Bereich eine Lied- und Volkstanzsammlung, darüber hinaus "ein das gesamte Gottscheer Brauchtum behandelndes Werk" zu schaffen;

4. In einem noch zu errichtenden "Freilichtmuseum in einem der großen im Ansiedlungsgebiet gelegenen Burgwälle" sollen, "verbunden mit einer Thingplatzanlage, ... die urtümlichen Häuser . . . unter Leitung der Forschungsstätte für germanisches Bauwesen in der Forschungs- und Lehrgemeinschaft ,Das Ahnenerbe' fach- und stilgerecht wieder aufgebaut werden", und zwar als "Mittelpunkt stolzer Erinnerung an die alte Heimat und echter Bejahung der neuen Aufgabe an der Volksgrenze im Reiche ADOLF HITLERS."

Hier schlägt das Herz des "Volkstümlers", der nicht nur für die Gottscheer, sondern auch für sich und das "Ahnenerbe" eine große Chance sieht. Die Aussicht für die Realisierung der vorgeschlagenen Projekte war sogar günstig; denn es konnte - außer durch die im Bericht dargelegte Argumentation - den SS-Strategen in Berlin klargemacht werden, daß an der "Volksgrenze" gegenüber den als weitgehend ge
schichts- und kulturlos geltenden Slawen Denkmäler deutscher Kultur zu leuchten hätten.

Es werden jetzt die beiden Akzente sichtbar, die sich durch den Bericht sowie durch die gesamte Arbeit der Kulturkommission ziehen: das Engagement für die Gottscheer und das für die eigene Sache. Beides verrät sich auch an der formalen Seite der Darstellung: der Verfasser hat das Mittel der Unterstreichung sehr sparsam gehandhabt. Im ganzen taucht es nur zehnmal auf: je fünfmal die eigene und die Leistung der Volksgruppenführung unterstreichend, und zwar zweimal in der Begründung des relativ großen Aufwandes des "Ahnenerbes" bei der Umsiedlung und dreimal bei der Skizzierung der eigenen schwierigen Arbeitsverhältnisse; ebenso oft als hinweisende Anerkennung für die Tätigkeit der jungen Volksgruppenführung und zweimal bei der Charakterisierung der schwierigen Daseinsbedingungen der Gottscheer.

Schon durch diese offene sprachliche Tendenz hebt sich die Bilanz des Kulturkommissars wohltuend von derjenigen der EWZ und der des Stabshauptamtes ab. Sie besticht aber auch durch ihre Systematik, Klarheit und - teilweise - durch schonungslose Darstellung. So werden z. B. die Partisanentätigkeit im Gebiet der Gottschee und die dadurch bedingten Sicherheitsverhältnisse aufgezeigt und Schwierigkeiten mit den deutschen Pfarrern in der Gottschee zugegeben:

"Die restlichen dem deutschen Volkstum entstammenden Pfarrer sind ohne Ausnahme ältere Männer ..., die der Erneuerungsbewegung zurückhaltend oder gar feindlich gegenüberstanden und ihren Einfluß zum Teil auch gegen die Umsiedlung eingesetzt haben. Nur zwei Pfarrer hatten optiert und wurden seit diesem Zeitpunkt von ihren Amtsbrüdern boykottiert." (22)

Die große Bedeutung des Beauftragten der Kulturkommission für die weitere Existenz der Gottscheer als Volksgruppe wird dort deutlich, wo dieser seine Begründung für die geschlossene Ansiedlung der Gottscheer gibt: "Dabei dürfte die Erkenntnis ausschlaggebend gewesen sein, daß ein organisches Hineinwachsen in das deutsche Gesamtvolk die Aufgabe der eigenen Art nicht zur Voraussetzung haben muß, sondern daß vielmehr ein Wiederaufbau des Volkskörpers der Gottscheer im neuen Ansiedlungsgebiet außerordentlich erleichtert wird, wenn er an die Kräfte der eigenen Art planmäßig anknüpft."

Der Wert des Volksgruppenbewußtseins wird hier zwar vorsichtig formuliert, fast nur als Mutmaßung, aber immerhin ausgesprochen; das ist von um so größerer Bedeutung, als das Stabshauptamt sich offiziell bereits gegen solche Gedankengänge ausgesprochen hatte (23). Hier werden - wenn auch nur für den Eingeweihten - Risse innerhalb der nationalsozialistischen Umsiedlungsideologie sichtbar. Die Berechtigung seiner These hinsichtlich der Gottscheer hatte Professor SCHWALM einleitend bereits zu stützen gesucht durch seine sehr deutliche Betonung der Leistungen, welche die junge Volksgruppenführung noch zur Zeit des jugoslawischen Staates vollbracht hatte; denn schon damals sei das Ziel der jungen Nationalsozialisten gewesen: ".. . die Erziehung eines dem Amerikanismus und seinen Zersetzungserscheinungen in der Volksinsel
gegenüber innerlich gefestigten, heimatverbundenen, rassisch denkenden Bauerntums, das gewillt ist, sich aus eigener Kraft ... selbst zu helfen."

Einen ähnlichen Einsatz für die Volksgruppenführung hatte bereits Ende Oktober 1941 der Leiter von "Ahnenerbe", SS-Obersturmbannführer SIEVERS gezeigt, als er dem Führer des Oberabschnittes Alpenland, SS-Brigadeführer Dr. SCHEEL, über die Eignung der Gottscheer Mannschaft für eine eventuelle Übernahme in die SS Bericht zu erstatten hatte. Bei der Charakterisierung eines der jungen Führer kam SIEVERS zu dem Schluß: "Es vereinen sich in ihm soldatische Haltung, Fähigkeit eines vorbildlichen Führers, Erkenntnis, daß die weltanschauliche Grundhaltung Voraussetzung ist für die Behauptung der Volksgruppe ... jetzt während der Umsiedlungszeit genau so wie später, wenn es für die Volksgruppe darauf ankommt, sich im neuen Ansiedlungsgebiet zu verschmelzen." (24)

Auch hier wird das Motiv von der Erhaltung, ja sogar der Behauptung der Volksgruppe angestimmt. Als I-Punkt des Schreibens, in dem die Lobeshymne SCHWALMS quasi vorweggenommen wird, erscheint der Schlußsatz: "Denn in weltanschaulicher Hinsicht ist die Gottscheer Volksgruppe ganz wesentlich weiter aufgeschlossen als andere zur Umsiedlung gelangende Volksgruppen." (25)

Dieses Urteil SIEVERS hatte Gewicht: Kurz darauf wurde der Mannschaftsführer von HIMMLER zum SS-Sturmbannführer ernannt.

Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen, Hans Hermann Frensing, 1970

www.gottschee.de



Inhaltsverzeichnis





Anmerkungen :

19  
Bericht über die Tätigkeit der Kulturkommission ..., erstattet durch Prof. Dr. HANS SCHWALM, ohne Datum (wahrscheinlich Ende Juni 1942); NAW Roll 306, frame 2434265 bis 2434350.

20
 Diese und die folgenden gesperrt gedruckten Wörter sind im Original unterstrichen.

21
 Gelobt wird die Unterstützung seitens des DUB, der Volksgruppenführung und auch der Italiener, zu den Offizieren der faschistischen Miliz habe sich sogar ein kameradschaftliches Verhältnis entwickelt. - Es folgen dann die Berichte der 7 Arbeitsgruppen, in denen die Wichtigkeit des Einsatzes betont wird.

22
 Bericht über die Tätigkeit der Kulturkommission .. . a.a.O. frame 2434308 f. Es siedelten jedoch drei deutsche Pfarrer um.

23
 Dr. FÄHNDRICH in der Einleitung zu "Menscheneinsatz, Grundsätze, Anordnungen und Richtlinien" des RKFDV, Dez. 1940; BA R 49/3000.

24
 Brief von SS-Obersturmbannführer SIEVERS vom 29.10.1941 an SS-Brigadeführer SCHEEL, Führer des SS-Oberabschnittes Alpenland; BA Slg. Schumacher 343.

25
 Dieses Lob für die Gottscheer ist vielleicht auch auf dem Hintergrund einer gewissen Enttäuschung SIEVERS über die Südtiroler, bei denen er die Aufgaben von "Ahnenerbe" wahrnahm, zu sehen; denn bei den Gottscheern hob er als positiv ausdrücklich hervor: "Kirchliche Bindungen, wie sie noch weitgehend bei den Südtirolern vorhanden sind, konnte ich in der Gottschee als der nationalsozialistischen Weltanschauung gegenüber hemmend nicht feststellen."

www.gottschee.de



Inhaltsverzeichnis